Das inspirierende Dreieck || Neue Zürcher Zeitung, 11.7.2002

Neue Zürcher Zeitung, 11.7.2002
http://www.nzz.ch

Das Trio mit Piano, Kontrabass und Schlagzeug ist im Jazz ein klassisches Format. Immer wieder finden sich junge Talente, die dieser Besetzung neue Aspekte abzugewinnen verstehen. Dazu zählen die Schweizer Chris Wiesendanger, Jean-Paul Brodbeck, Sylvie Courvoisier und Michael Wintsch.

Die Gründe für die Popularität des Jazztrios sind leicht nachzuvollziehen. Es erlaubt in geradezu idealer Weise ein intensives Interplay, ein Aufeinandereingehen der drei Beteiligten, die sich alle auch solistisch profilieren können. Die Funktionen sind an sich klar festgelegt, können aber ständig ausgeweitet werden. Schliesslich ist in Triobesetzung ein Musizieren auf tiefen und hohen Intensitäts- und Dynamikstufen möglich - ebenso wie eine aufregende Steigerung aller musikalischen Parameter. Auch in der Schweiz sind zahllose Jazztrios aktiv, die unterschiedlichste musikalische Dialekte sprechen. Von vier Pianisten liegen neue Tonträger vor, welche auf eindrückliche Weise das hohe Qualitätsniveau des Genres dokumentieren.

Der 28-jährige Basler Jean-Paul Brodbeck hat sich gut umgehört bei seinen legendären Vorbildern. In seinen flüssigen und jugendlich-unbekümmerten Improvisationen über eigene Themen und Jazzstandards entdeckt man Einflüsse von Bill Evans, Keith Jarrett und Ahmad Jamal. Und doch schimmert durchaus eine eigene Künstlerpersönlichkeit, geprägt vom Zeitgeist und von einem klassisch-romantischen Background durch. Brodbeck, der sich als Liebhaber der Musik von Richard Wagner «outet», hat eine Komposition über ein Englischhorn-Solo aus «Tristan» geschrieben, die als Vehikel für sein Trio hervorragend funktioniert. Spiel- und experimentierfreudig sind auch seine kongenialen Triopartner, der junge, dynamische Schlagzeuger Dominic Egli und der erfahrene Kontrabassist Peter Frei. Besonders die rhythmischen Spielereien um den Ohrwurm «All The Things You Are» lassen vermuten, dass die drei viel geübt und konzertiert haben. Dass ihr Erstling bereits auf einem Major Label erscheint, ist beachtenswert.