Tschaikowsky als Destillat || Basler Zeitung, 26.04.2007

Basler Zeitung, 26.04.2007
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Der Basler Ausnahmepianist Jean-Paul Brodbeck versucht sich am Jazz Festival als Dolmetscher zwischen Jazz und Klassik. Es liegt nahe, dass Jazzpianisten, die auch über eine klassische Ausbildung verfügen, versuchen, die zwei Seelen, die in ihrer Brust wohnen, miteinander zu versöhnen. Zu künstlerisch besonders interessanten und tiefschürfenden Resultaten führt(e) dieser Versöhnungsprozess etwa im Falle von Bill Evans, Richie Beirach, Enrico Pieranunzi oder Brad Mehldau. Hierzulande darf der in Basel gross gewordenen und nun in Zürich residierenden Pianist Jean-Paul Brodbeck als besonders bewanderter Dolmetscher zwischen der dionysischen Hemmungslosigkeit des Jazz und dem apollinischen Formbewusstsein der abendländischen Tonsetzerkunst gelten. Mit „Song of Tchaikovsky“ geht Brodbeck das Wagnis ein, die eher unbekannten Lieder des „Schwanensee“-Komponisten als Grundlage für ein ganzes Programm für Piano-Trio zu nehmen. Brodbeck hat instrumentale Rohfassungen der Lieder destilliert, die gemeinsam arrangiert wurden. 

Metamorphose. Wie die CD „None but the Lonely Heart” (Unit Records) zeigt, ist die Metamorphose geglückt – von banalem Ergriffenheitspathos ist diese sehnsüchtige, melancholische, subtile und vornehmlich balladeske Musik ebenso weit entfernt wie von prätentiösem Kitsch. Ihre Geschmackssicherheit bewart die Musiker davor, die Vorlagen als Vorwand für virtuose Fingerübungen zu missbrauchen – sie schlüpfen sozusagen mit Leib und Seele in diese romantische Musik hinein und bringen sie inwendig zum Glühen.

von Tom Gsteiger

Jean-Paul Brodbeck